Goswami, Amit: Das bewusste Universum

(QUANTEN-BEWUSSTSEIN)

 

Amit Goswami beschreibt anschaulich das Unbehagen, das er seit seinem Physikstudium verspürt habe aufgrund der Paradoxien in der Quantenphysik, über die andere Physiker sich nicht den Kopf zerbrochen oder sie kurzerhand einer anderen Realität zugeordnet hätten. Schließlich habe er "genug gehabt" vom paradigmatischen Forschen und beschlossen, selber bis an die Grenzen der Physik vorzustoßen, um einen Paradigmenwechsel zu bewirken.

 

Fridjof Capras Buch "Das Tao der Physik" habe ihn zutiefst berührt. Capra habe die Parallelen zwischen mystischer und quantenphysikalischer Weltsicht gezeigt, ohne jedoch die Problematik gründlich untersucht zu haben. Daraufhin habe Goswami intuitiv gewusst, dass das Kernproblem in der Frage bestehe, wie die Quantenphysik zu interpretieren sei.

 

In Esalen habe er sich mit der kognitiven Psychologie beschäftigt, die für ihn eine bedeutende Rolle gespielt habe, und sich auch mit den neuesten Ergebnissen der Neurophysiologie befasst. Seine Ausgangsbasis sei der Aspekt "Gehirn und Geist" gewesen. Er habe Zugang zur parapsychologischen Forschung bekommen und Bekanntschaft mit bedeutenden Mystikern gemacht. Daraufhin habe er die "mystische Wahrheit" erkannt, dass alles Bewusstsein sei.

 

Sein Vater sei ein brahmanischer Priester und Guru gewesen, deshalb sei er mit dem Mystizismus aufgewachsen. Die kalifornischen Universitäten hätten ihm jedoch einen anderen Weg gezeigt. Zunächst habe er geglaubt, dass alles Subjektive auf einen komplexen Tanz von Atomen zurückgehe, der nur darauf warte, von uns entschlüsselt zu werden. In Lone Pine habe er jedoch gelernt, vom Primat des Bewusstseins statt vom Primat der Materie auszugehen. Damit hätten die alten Quanten-Paradoxa ihr Ende gefunden, aber auch jene aus Psychologie, Gehirnforschung und Parapsychologie.

 

In seinem Buch "Das bewusste Universum" zeigt Goswami, wie die Kluft zwischen Wissenschaft und Spiritualität überbrückt und die Paradoxa der Quantenphysik aufgelöst werden können. Er überwindet die kartesische Trennung von Leib und Seele durch seine übergreifende Hypothese, dass alles Seiende Bewusstsein sei. Er erklärt auch, wie es dazu komme, dass ein einziges alles in sich einschließendes Bewusstsein als viele getrennte "Bewusstseine" erscheinen könne.

 

Das Newtonsche Weltbild erkläre ein Spektrum mechanischer Phänomene, vom Satelliten bis zum Dosenöffner. Durch die Quantenmechanik werde jedoch unser Verständnis der Physik in Frage gestellt. Es sei keine mechanische Ordnung, die der objektiven Realität zugrunde läge, sondern scheinbar zufällige Tupfen und Quanten. Mehr noch: Das Universum scheine ohne einen Betrachter nicht zu existieren.

 

Ein Elektron zum Beispiel sei manchmal ein Materiekörnchen, und manchmal scheine es eine Wolke aus unendlich vielen möglichen Elektronen zu sein, welche als einzelnes Teilchen "erschienen" - allerdings nur dann, wenn wir eines beobachteten. Ein Beobachter lasse die Unbestimmtheit zu einem definitiven Einzelzustand werden.

 

Als wellenförmiges Gebilde könne es schneller als Licht sein. Selbst sehr weit voneinander entfernte Elektronen kommunizierten miteinander schneller als mit Lichtgeschwindigkeit. Deshalb entscheide eine Beobachtung, die in der Zukunft stattfinde, über den Zustand des Elektrons in der Gegenwart. Wenn wir gegen einen Stuhl stießen, sollten wir uns dessen bewusst sein, dass das Ich und der Stuhl dem Bewusstsein entsprängen, auch wenn wir in der alten dualistischen Realität die räumliche Position des Stuhls von der unseren trennten.

 

Die objektive Welt, die wie ein Uhrzeiger voranschreitet, sei eine Illusion unseres Denkens. Das Universum sei ein bewusstes Universum, und die Welt werde vom Bewusstsein erzeugt. Das Bewusstsein sei etwas Transzendentales - außerhalb von Raum und Zeit, auf keinen Ort beschränkt, sondern alles durchdringend. Es sei die einzige Realität. Dennoch bekämen wir von ihr nur durch unsere materiellen Beobachtungsprozesse etwas zu sehen, also allenfalls flüchtig.

 

Goswami beklagt den erbarmungslos vorstoßenden Materialismus der Wissenschaften, der jedoch total versage, wenn es um die Befriedigung unseres intuitiven Wissens vom Reichtum des Lebens und von der Fülle seiner Bedeutungen gehe. Sogar die meisten Alltagserfahrungen könnten mit dem Dogma des Materialismus nicht erklärt werden. Wir hätten eine in sich widersprüchliche Lebensanschauung und lebten in einem Dilemma.

 

Als Alternative schlägt er einen idealistischen Monismus vor: die Wiederentdeckung der alten Idee, dass Bewusstsein die Grundlage alles Seienden sei, nicht Materie. Mit den Mitteln der modernen Wissenschaft seien die Zusammenhänge von Atomen und Bewusstsein erforscht worden mit dem Ergebnis: Quantenobjekte existierten in Form von Wellen an mehr als einem Ort. Das Bewusstsein könne als Dachorganisation angesehen werden, die die Quantenwellen so scharf einstelle, dass sie an Ort und Stelle beobachtbar würden.

 

Das neue Paradigma beruht auf folgenden Grundvoraussetzungen:

 

Bewusstsein ist keine vom Gehirn getrennte Entität, kein Epiphänomen (Begleiterscheinung) des Tanzes der Atome und gehört keiner separaten Welt an, sondern die Welt besteht nur aus Bewusstsein.

 

Wellennatur: Quantenobjekte (z.B. Elektronen) besitzen einen Feldcharakter und können gleichzeitig an mehreren Orten sein.

 

Wellenkollaps: Sie manifestieren sich erst dann in der normalen Raumzeit, wenn wir sie als Teilchen beobachten (das Feld materialisiert sich punktuell).

 

Quantensprung: Sie bewegen sich in Quantensprüngen, d.h. sie durchqueren den Raum nicht auf normalem Weg in der Zeit.

 

Quanten-Fernwirkung: Eine durch unsere Beobachtung zustande gekommene Manifestation eines Teilchens beeinflusst ein anderes Objekt - zur gleichen Zeit und ungeachtet seiner Entfernung.

 

Die Quantentheorie

 

Max Planck habe die ruckartige Bewegung winziger Ladungen, der Elektronen, entdeckt und sie als Quantensprung bezeichnet. Ihre Strahlung (Energieaustausch) erfolge nicht kontinuierlich, sondern wie bei einem Ball, der eine Treppe hinab springt, im Gegensatz zu einem, der eine Rampe hinab rollt. Doch ein Quanten-Ball nehme niemals eine Zwischenstufe ein, d.h. er werde niemals an einem Ort zwischen zwei Stufen anzutreffen sein. Das sei die Diskontinuität von Quanten.

 

Entgegen der verbreiteten Ansicht, dass Licht ein Wellen-Phänomen sei, habe Einstein 1905 vorgeschlagen, Licht als ein Quantenobjekt anzusehen, als diskrete, gebündelte Energie, heute Photon genannt. 1911 habe Rutherford sein Atommodell veröffentlicht, das einem winzigen Sonnensystem gleiche, und in dem Elektronen um einen Kern kreisen wie die Planeten um sie Sonne. Niels Bohr habe Einsteins Idee von den Lichtquanten 1913 erweitert und gezeigt, dass die atomare Welt voller Quantensprünge sei.

 

Rutherfords Atommodell habe sich jedoch als instabil erwiesen, weil die Elektronen irgendwann in den Kern hinein stürzen würden, wenn sie kontinuierlich Licht abstrahlten. Bohr habe ein neues Atommodell in Form von Energietreppen entwickelt. Danach strahlten die Elektronen kein Licht ab, wenn sie sich in stationären Bahnen befänden. Nur auf dem Sprung von einer höheren Energiebahn auf eine niedrigere werde Energie frei - in Form eines Lichtquants.

 

Es handele sich aber um keinen gewöhnlichen Sprung durch den Raum, sondern das Elektron scheine sich völlig diskontinuierlich auf der einen Sprosse in Nichts aufzulösen und auf der anderen wieder aufzutauchen. Wann es springe und wohin, könne man nicht vorher sagen. Das seien akausale und unvorhersehbare Ereignisse, für die sich nur Wahrscheinlichkeiten angeben ließen.

 

Licht könne sowohl eine Welle als auch ein Teilchen sein (Wellen-Teilchen-Dualismus). Wenn das Licht als Welle gesehen werde, scheine es sich an mehreren Orten gleichzeitig zu befinden. Werde es dagegen auf fotografisches Material gebannt, manifestiere es sich diskret, Punkt für Punkt, wie ein Teilchenstrahl. Die Natur des Lichts scheine davon abzuhängen, in welcher Weise wir es beobachten.

 

De Broglie habe 1924 die Unstetigkeit der atomaren Kreisbahnen mit den Schwingungen von Klangwellen verglichen und festgestellt, dass Elektronen in einem Atom eingeschlossene Wellen seien, die das Gebilde nicht verlassen können. Daraufhin habe Schrödinger seine berühmte Wellengleichung für Materie aufgestellt. Sie erkläre die Identität von Atomen und ihre Fähigkeit, sich immer wieder zu regenerieren. Ihre Identität beruhe jedoch lediglich auf Wellenmustern.

 

Darüber hinaus habe ein Atom keine Geschichte bzw. Vergangenheit, es regeneriere sich permanent und wiederhole sich immer wieder auf dieselbe Weise. Einzelne Atome kämen auf der Fotoplatte auch als lokal begrenzte Einzelereignisse vor. Doch nur wenn das Muster beobachtet werde, das von einem ganzen Haufen Elektronen ausgehe, werde ihre Wellennatur (Diffraktionsmuster) offensichtlich. Elektronenwellen seien Wahrscheinlichkeitswellen, also Durchschnittswerte, von denen einzelne Elektronen abweichen könnten. Dort, wo starke Wellenstörungen aufträten (Amplituden), sei es am wahrscheinlichsten, sie zu lokalisieren.

 

Wir müssten uns Elektronenwellen immer als Wellenpakete bzw. Gruppen von Wellen vorstellen. Wahrscheinlichkeit bringe auch Unbestimmtheit bzw. Unschärfe mit sich. Der Heisenbergschen Unschärferelation zufolge, die wie eine Bombe in die deterministische Philosophie eingeschlagen habe, könnten wir nicht gleichzeitig Position und Geschwindigkeit (bzw. den Impuls) eines Elektrons exakt bestimmen.

 

Zu einer bestimmten Anfangszeit könne ein Elektron möglicherweise noch auf einen winzigen örtlichen Punkt beschränkt werden, aber schon innerhalb weniger Sekunden würde sich sein Wellenpaket überall hin ausbreiten. Einen Moment später könnte es im ganzen Universum auftauchen. Nach Heisenberg werde der Weg eines Elektrons nur dann existent, wenn wir es beobachteten. Nur durch unsere Messung werde die Elektronenwelle auf den Zustand eines Teilchens reduziert.

 

Wenn wir die Position eines Elektrons messen, breche seine Wahrscheinlichkeitswolke zusammen, so dass es an einer bestimmten Stelle vorhanden und nicht überall verwischt sei. Wollten wir seinen Flug beobachten, würden wir das Teilchen zunächst in einem winzigen Wellenpaket lokal eingeschlossen sehen. Nach der Beobachtung breite sich das Paket aus und repräsentiere die Wolke unserer ungenauen, unscharfen Kenntnis.

 

Nach einer erneuten Beobachtung machten wir das Paket wieder lokal fest. Es breite sich immer zwischen unseren einzelnen Beobachtungen aus, ähnlich wie ein Glühwürmchen. Man sehe ein Aufblitzen hier und ein Aufleuchten dort, aber wo sich das Würmchen zwischen den einzelnen Beobachtungen befinde, wisse man nicht. Wenn wir es nicht messen, breite es sich aus und sei gleichzeitig an mehr als einem Ort vorhanden, wie eine Welle oder Wolke.

 

Jedes Mal, wenn wir uns beobachtend einschalteten, werde ein neuer Anfang gemacht. Die Welt sei hier auf der untersten Stufe kreativ. Jede Unterbrechung bringe neue Möglichkeiten mit sich. Die Welt werde nicht durch Anfangsbedingungen ein für allemal determiniert (festgelegt), sondern jeder Messvorgang sei ein potenziell kreativ wirkendes Ereignis und könne neue Möglichkeiten eröffnen.

 

Niels Bohr habe das Komplementaritätsprinzip der Elektronen entdeckt. Danach seien sie nicht Wellen oder Teilchen, sondern ihre wahre Natur gehe darüber hinaus. Es handele sich um Eigenschaften, die einander bedingen und gleichzeitig, nicht nacheinander, vorhanden seien. Bohr habe ebenfalls das Korrespondenzprinzip formuliert. Es besage: Wenn die Aussagen der Quantenmechanik auf den Makrokosmos angewendet würden, dürften sie den Phänomenen der klassischen Physik und der Newtonschen Mathematik nicht widersprechen.

 

Nach der sog. Kopenhagener Deutung verschwinde die Realität der Quantenwelt infolge der Korrespondenz mit der klassischen Physik wie hinter einer Tarnung. Diskontinuität und Quantensprünge - z.B. der Zusammenbruch eines sich ausbreitenden Wellenpakets im Moment unserer Beobachtung - kämen im makroskopischen Bereich der Natur, den wir mit unsren Sinnesorganen erfassen könnten, nicht zum Tragen.

 

Durch die Quantentheorie würden nicht gerechtfertigte Annahmen des materialistischen Realismus widerlegt. Die Annahme einer starken Objektivität (außerhalb und unabhängig von uns existiert ein objektives materielles Universum) werde ersetzt durch die Erkenntnis, dass der subjektive Beobachter mit seinem Objekt unauflösbar verbunden sei. Der kausale Determinismus (alles ist logisch bestimmt und berechenbar) werde durch die Entdeckung statistischer Ursachen und Wirkungen in eine Wahrscheinlichkeitsaussage verwandelt.

 

Die Lokalität (Objekte können nur durch lokal begrenzte Signale kommunizieren, die der Lichtgeschwindigkeit unterliegen) fällt durch die Eigenschaft der Wellen, sich zeitgleich über weite Entfernungen auszubreiten und andere Objekte zu beeinflussen. Der Epiphänomenalismus (geistige Phänomene sind nur Begleiterscheinungen der Materie) werde überwunden durch die Erkenntnis, dass bewusste Beobachtung eine Welle kollabieren lasse und damit ein Materieteilchen manifestiere.

 

Materialistischer Realismus oder monistischer Idealismus?

 

Unser gegenwärtiges wissenschaftliches Weltbild sei von einem materialistischen Realismus geprägt, konstatiert Goswami. Dieses Dogma könne aber die Existenz unseres Geistes nicht erklären und habe insgesamt einen negativen Einfluss auf die Lebensqualität moderner Menschen. Seit Descartes die Realität in Geist und Materie eingeteilt habe, befänden wir uns in einer Zwickmühle.

 

Der Materialismus konfrontiere uns mit einem mechanischen Universum, das ohne Bedeutung, leer und einsam sei. Doch hätten Philosophen schon lange gewusst, dass es unser Selbst sei, das die Welt organisiere und ihr Bedeutung verleihe. Statt jedoch Natur und Bewusstsein zu vereinen, seien beide voneinander getrennt worden, was u.a. zu einer von der Physik abgespaltenen Psychologie geführt habe. Mit der materialistischen Denkweise vertrieben wir uns selbst aus der magischen Welt in einen fremden, unfreundlichen Kosmos.

 

Wir seien so konditioniert, dass wir uns als Maschinen betrachteten, deren Handeln von äußeren Reizen determiniert sei. Nach dieser Auffassung hätten wir weder Verantwortung noch Wahl, unser freier Wille wäre eine Einbildung. Diese Weltanschauung errichte Trennwände zwischen uns und unseren Mitmenschen. So würden wir immer noch von nuklearer Vernichtung bedroht, werde immer noch zu dem barbarischen Mittel des Krieges gegriffen, um Streitigkeiten in der Welt zu lösen, komme es immer wieder zu Hungersnöten.

 

In einer Welt, die nur aus Materie bestehe, entstünden immer neue materielle Bedürfnisse. Es gebe keinen Wunsch nach spiritueller Fortentwicklung, sondern nach immer mehr, immer größeren und immer besseren Dingen: größeren Autos, neuesten Modetrends, tollster Unterhaltung und Technologie. Materielle Besitztümer bildeten die einzige Grundlage für ein gutes Leben.

 

Tatsächlich führe der Materialismus bestenfalls zu einer krank machenden Übersättigung, schlimmstenfalls zu Kriminalität und Krankheiten. Viele lebten mit dem Konflikt, gierig an einer materialistischen Konsumkultur teilzunehmen, sich aber deswegen zu verachten. Der liebevolle Umgang mit unseren Mitmenschen werde oft durch religiösen Fundamentalismus oder fanatischen Wissenschaftsglauben ersetzt. Seit wir den Materialismus als wissenschaftliche Weltanschauung akzeptiert hätten, lebten wir in einem Zustand der Konfusion.

 

Für Goswami beruht der materialistische Realismus auf den fünf Prinzipien der starken Objektivität, der kausalen Determiniertheit, der Lokalität, dem materialistischen Monismus und dem Epiphänomenalismus. Doch seien diese Prinzipien nichts anderes als metaphysische Postulate, reine Annahmen über die Natur des Seins, und keine experimentell ermittelten Erkenntnisse. Eine weitere Schwäche dieser Weltanschauung bestehe im völligen Ausschluss subjektiver Phänomene. Nach dem Postulat der starken Objektivität seien kognitive Annahmen nicht zulässig.

 

Die Idee einer starken Objektivität gehe auf Aristoteles zurück, der annahm, dass die Dinge unabhängig und getrennt vom Geist existieren. Descartes habe sich die Menschen als funktionelle Maschinen vorgestellt. Mit dem Prinzip der kausalen Determiniertheit (alles ist logisch vorherbestimmt) durch Newton sei der Materialismus endgültig etabliert worden. Einstein habe noch das Prinzip der Lokalität hinzugefügt, als er die Lichtgeschwindigkeit als höchste Geschwindigkeit postulierte. Danach seien alle Wirkungen zwischen materiellen Objekten lokal begrenzt, d.h. jeder Impuls müsse eine Strecke in Raum und Zeit zurücklegen.

 

Descartes habe noch stillschweigend darauf verzichtet, die Religion zu attackieren, weil ihr damals die Herrschaft über geistige Dinge überlassen worden sei, während die Wissenschaft über materielle Dinge regiert habe. Mit wachsendem Erfolg hätten Wissenschaftler jedoch begonnen, die Gültigkeit religiöser Lehren in Frage zu stellen, und infolgedessen auch die geistige Seite des kartesischen Dualismus angefochten.

 

Das Prinzip des materialistischen Monismus sei aufgetaucht, die Auffassung, dass alle Dinge in der Welt, auch der Geist, aus Materie bestehen. Da jedoch niemand den Geist aus der Materie ableiten konnte, habe man das Postulat des Epiphänomenalismus aufnehmen müssen, das Bewusstsein auf physikalische Zustände reduziere und es nur als Begleiterscheinung der Materie ansehe.

 

Mit Hilfe der klassischen Physik nach Newton hätten Wissenschaftler die sog. letzten Geheimnisse enthüllt: wie sich das Universum bildete, woher Sterne ihre Energie haben, wie unser Planet entstand und wie sich das Leben reproduzierte. Man habe gemeint, von einer Allwissenheit nicht mehr weit entfernt zu sein. Der Verhaltensforscher Pawlow habe den menschlichen Geist als eine Maschine mit Ein- und Ausgabeparametern betrachtet, die auf der Basis von Reiz-Reaktion-Verstärkung funktioniert.

 

Denken und Fühlen seien im Materialismus nichts anderes als Zustände einer komplexen Gehirn-Maschine. Der Maschinist deute Unbestimmtheiten nicht als Anzeichen für Freiheit, die er für eine Illusion halte, sonder definiere selbst das Chaos als ein vorher bestimmbares Verfahren. Der Geist sei so determiniert wie eine Ansammlung klassischer Computerprogramme, deshalb könne man ihn auch simulieren. Der Mathematiker Alan Turing rede von zukünftigen Computern, deren Konversation nicht von der menschlichen zu unterscheiden sei.

 

Allerdings habe Roger Penrose darauf hingewiesen, dass algorithmisches Folgern nicht ausreiche, um Geist zu entwickeln. Bewusstsein und Erkenntnisfähigkeit seien die wesentlichen Voraussetzungen. Richard Feynman habe gezeigt, dass Computer nicht in der Lage seien, diskontinuierlich zu denken. Menschliche Eigenschaften wie Kreativität, die Simulation von Nichtlokalität oder paranormale Erfahrungen erforderten jedoch ein abruptes Ausbrechen aus vergangenen Denkmustern.

 

Heinlein habe ausgeführt, dass Bewusstsein nur eine Frage der Komplexität sei und ab einer gewissen Anzahl von Verschaltungen von selbst auftrete. Goswami weist darauf hin, dass in dem Fall keine Notwendigkeit für Bewusstsein bestünde, denn der mechanische Output könne auch unbewusst ablaufen. Er hält es jedoch für unmöglich, spirituelle Verbindungen oder ein kollektives Unterbewusstsein durch einen Computer zu simulieren. Deshalb müsse vom Primat des Bewusstseins ausgegangen werden als Grundlage allen Seins, das sowohl die Welt der Materie als auch die der geistigen Phänomene bestimme.

 

Als Alternative für den gescheiterten materialistischen Realismus schlägt Goswami einen monistischen Idealismus vor (im Gegensatz auch zum Dualismus), damit wir mit der Welt wieder eins werden könnten. Dieser betrachte die ganze Welt, auch die Materie, als aus Geist entstanden. Er beruhe auf den Prämissen der Quantentheorie und sei in der Lage, Wissenschaft, Humanismus und Religionen in einem neuen Weltbild zu vereinen. Ideen seien als die Grundelemente der Realität zu betrachten, nicht die Materie - sie sei der Realität des Bewusstseins nachrangig.

 

Geistige Phänomene wie Selbstbewusstsein, Willensfreiheit, Kreativität und sogar übersinnliche Wahrnehmung fänden einfache Erklärungen im Gesamtkontext des monistischen Idealismus und der Quantentheorie. Im Einklang mit den Jahrtausende alten großen spirituellen Traditionen könnten wir damit unsere Ganzheitlichkeit begreifen. Beide Sphären, die materielle und die geistige Welt, bildeten zusammen die immanente Wirklichkeit, die Welt der Manifestationen. Sie gehe aus einer transzendenten Ideenwelt hervor.

 

Platons Höhlengleichnis stelle den Grundgedanken des Idealismus dar: In diesem Gleichnis säßen Menschen in einer Höhle mit dem Rücken zum Eingang und schauten auf die Rückwand, auf die durch das einfallende Licht Schattenbilder der wirklichen Welt draußen vor der Höhle projiziert würden. Diese Schattenbilder hielten sie für die Realität, doch sie seien nur Manifestationen in der menschlichen Erfahrung von archetypischen Realitäten, die zu einer transzendenten Ideenwelt gehörten. In Wahrheit sei das Licht des Bewusstseins die einzige Realität.

 

Auch in der indischen Mythologie kämen transzendente Archetypen vor sowie ihre immanenten Formen, die Illusionen. Das Licht des universellen Bewusstseins gelte als Urgrund allen Seins. - In der buddhistischen Philosophie gebe es einen materiellen Bereich und ein Reich der Ideen. Jenseits dieser beiden Sphären sei das Licht des einen Bewusstseins, das beide erhelle, frei von allen Wahrnehmungen und Vorstellungen.

 

Das taoistische Symbol des Yang gelte als hell und männlich, es stehe für die transzendente Welt. Das dunkle Yin als weibliches Symbol stehe für die immanente Welt. Das universelle Bewusstsein, das mal das Dunkle, mal das Helle erscheinen lasse, sei das Tao, das seine komplementären Manifestationen transzendiere. - Die jüdische Kabbala beschreibe zwei Arten von Realität: die transzendente Welt als theogonische Vorstellung, und die immanente Welt der Trennung. In mystischer Vorstellung zeige sich alles als eines.

 

Auch die christlichen Begriffe Himmel und Erde stünden für die transzendente und die immanente Welt. Jenseits davon stehe der dreieinige Gott als das Bewusstsein, das alles durchdringe: Geist, Seele und Körper. - Alle spirituellen Ansätze stimmten überein in der Annahme, dass das eine Bewusstsein durch komplementäre Manifestationen zu uns komme. Mystiker hätten es immer für möglich gehalten, den Himmel direkt zu erfahren, wenn man jenseits der Materie danach suche.

 

Ebenso wie die alten Religionen unterscheide auch der Idealismus zwischen Geist und Bewusstsein. Im Bewusstsein kämen sowohl materielle Objekte vor (ein Ball) als auch geistige Objekte (der Gedanke an einen Ball). Beide Objekte seien immer mit einem Subjekt verbunden, das die Erfahrung mache. Doch sei dieses subjektive Bewusstsein auch gleich dem einen Bewusstsein, das allem Sein zugrunde liege. Insofern sei Bewusstsein etwas Verbindendes, das Einheit herstelle.

 

Warum hätten wir dann das Gefühl des Getrenntseins? Mystiker sagten, das Getrenntsein sei eine Illusion. Wenn wir über die wahre Natur unseres Selbst meditierten, erführen wir die Einheit in der Vielheit und entdeckten, dass hinter aller Verschiedenheit nur ein einziges Bewusstsein stehe. Es sei mit vielen Namen belegt worden: Heiliger Geist, Inneres Licht, Nicht-Selbst im Sinne von Unerschaffenem, Ungeformtem.

 

Durch seine Existenz sei ein Entkommen aus der Welt der Manifestation möglich. Die Universalität mystischer Erfahrungen werde durch zahlreiche Schriften aus unterschiedlichen Kulturen bestätigt. Die Erfahrung der Einheit sei eine Transformation, die uns von unserem scheinbar abgesonderten Dasein befreie und uns von Ersatzbefriedigungen erlöse. Wahrheit könne nur im eigenen tiefsten Bewusstsein erkannt werden.

 

Die Integration von Mystizismus und Wissenschaft ist für Goswami ganz natürlich, denn beide seien universell und gingen aus empirischen Erkenntnissen hervor, die im Lichte theoretischer Erklärungen interpretiert würden. Mystizismus sei nicht engstirnig, betont er. Engstirnig werde es erst, wenn eine Religion mystische Lehren vereinfache, damit sie für das Gros der Menschen verdaulich würden.

 

Alle großen Religionen beruhten auf den Lehren des Mystizismus. Goswami betrachtet sie als Methoden, die mystischen Wahrheiten allgemein verständlich zu machen. Die meisten Menschen seien so in ihre Illusion verstrickt und damit beschäftigt, getrennte Egos aufzubauen, dass sie alle Gedanken an den individuellen Tod oder das kollektive Bewusstsein verdrängten. Mystiker wollten jedoch diese Menschen an der Erkenntnis teilhaben lassen und aus dem Dunkel ins Licht führen. Deshalb müsste die Wahrheit auf Durchschnittsmenschen zugeschnitten, d.h. vereinfacht werden. Die mystische Erfahrung eines alles verbindenden Bewusstseins werde durch die Idee von Gott ersetzt.

 

Aber Gott als transzendenter Schöpfer der immanenten Welt sei in der menschlichen Vorstellung ein mächtiger himmlischer König, der die Welt beherrsche. Dieses dualistische Gottesbild verzerre die ursprüngliche Botschaft, dass Wahrheit erfahren und Liebe leicht praktiziert werden könne, weil wir alle in einem umfassenden Bewusstsein vereint seien. Sie werde dogmatisiert durch die Vorstellung, dass Menschen Erbsünder seien, die ihr Seelenheil nur durch Erlösung aus dem leidvollen Kreislauf im Reich Gottes finden könnten und dazu 10 Gebote einhalten müssten.

 

Für Goswami ist dies eine Verunglimpfung der Lehre des transzendenten Seins. Der Westen sei vom Dualismus monotheistischer Religionen judäisch-christlichen Ursprungs geprägt, erzwungen durch eine mächtige Hierarchie von Religionsvermittlern. Die Dichotomie von Himmel und Hölle sei jedoch ein Irrtum, meint er, denn eines bestehe nicht ohne das andere, und beides gehöre zum Leben. Der Weg der Mystik bestehe darin, Dualitäten wie Gut und Böse zu transzendieren.

 

Heute könne der westliche Dualismus von Welt und Gott einer wissenschaftlichen Prüfung nicht mehr standhalten, die Religionen seien durch empirische Daten ausgehöhlt. Leider habe man mit der Religion gleich alle ethischen Werte über Bord geworfen und sich dem materialistischen Realismus zugewandt. Dieser werde jetzt durch die Quantenphysik ad absurdum geführt. Die Entlarvung der Unlogik dualistischer Religionen lasse aber nur eine Alternative zu: den idealistischen Monismus als der einzigen Philosophie, die die Realität angemessen beschreiben könne.

 

Auflösung der Quanten-Paradoxien

 

Die Auflösung der Quanten-Paradoxien durch den idealistischen Monismus erläutert Goswami am Beispiel der Komplementarität. Sie besage, man könne ein Quantenobjekt niemals in seiner Wellenform sehen, es zeige sich immer nur als stationäres Teilchen. Trotzdem bleibe sein Wellenaspekt bestehen. Die Frage sei: Existiert die Wellenform gleichzeitig im transzendenten Raum weiter, wenn sich das Objekt im normalen Raum manifestiert? Nach Heisenberg könne es nicht gleichzeitig einen bestimmten Ort einnehmen und in Bewegung sein.

 

Doch zwischen den Beobachtungen breite sich das Elektron aus. Deshalb müsse es "in Potentia" außerhalb der Raumzeit einen transzendenten Wirklichkeitsbereich geben, in dem das Elektron als eine Möglichkeitsform existiere. Sobald wir unseren Blick auf es richteten, breche die Welle zusammen, weil sie in unserer Raumzeit nicht existieren könne. Das lege die Annahme nahe, dass es im Weltgefüge von Raum und Zeit ohne ein bewusst beobachtendes Subjekt kein Objekt geben könne.

 

Das Komplementaritätsprinzip besage, dass Quantenobjekte sowohl Welle als auch Teilchen seien, wir aber nur die eine oder andere Eigenschaft sehen könnten. Wenn es so aussehe, als sei ein Elektron gleichzeitig durch zwei verschiedene Spalte gelangt, klinge das paradox, so lange wir es als Teilchen betrachteten. Für eine Welle mit Feldcharakter sei das aber nicht ungewöhnlich, denn ein Energiefeld durchdringe alles und sei überall gleichzeitig. Deshalb gelte auch das Wellenbild für jedes einzelne Teilchen, so lange wir nicht unseren Blick darauf richteten.

 

Goswami vergleicht Quantenwellen mit den Platonischen Ideen, die in einem transzendenten Bereich des Bewusstseins existierten. Die Teilchen, die sich auf unsere Beobachtung hin manifestierten, entsprächen den immanenten Schatten an der Höhlenwand. Das Bewusstsein sei die Schaltstelle, die die Welle zum Kollabieren bringe, um sie in der Welt der Manifestationen zu einem immanenten Teilchen werden zu lassen. In der antiken Auffassung sei Transzendenz über die Grenzen jeder möglichen Erfahrung hinaus gegangen. Das gelte heute nicht mehr.

 

Ein weiteres Paradox sei die Nichtlokalität. Bei zwei miteinander wechselwirkenden Quantenobjekten, von denen wir eines messen und damit seine Wellenfunktion zum Kollabieren bringen, breche im selben Augenblick auch die Wellenfunktion des anderen zusammen. Einstein habe jedoch bewiesen, dass alle Wechselwirkungen in der materiellen Welt durch Signale übertragen würden, die sich durch den Raum bewegten und insofern durch die Lichtgeschwindigkeit begrenzt seien (Lokalitätsprinzip). Deshalb könne die unmittelbare zeitliche Verbindung zwischen zwei korrelierten Quantenobjekten zwangsläufig nur in einem transzendenten Bereich der Realität stattfinden, in einer "Überwirklichkeit".

 

Diese signallose, ohne zeitliche Verzögerung eintretende Fernwirkung nenne man "Nichtlokalität". Sie zeige, dass der fundamentale Prozess der Natur außerhalb der Raumzeit angesiedelt sei, jedoch Ereignisse hervorbringe, die innerhalb der Raumzeit lokalisierbar seien. Die nichtlokale Realität sei zwar "außerhalb des Raums" angesiedelt, aber gleichzeitig durchdringe sie ihn. Seit der Quantenphysik müssten wir mit dem Paradox leben, dass Nichtlokalität und Transzendenz überall und nirgendwo, jederzeit und niemals existierten.

 

Doch auch diese Paradoxie löse sich auf im Lichte des idealistischen Monismus und auf der Basis eines transzendenten, alles vereinenden Bewusstseins, das die Quantenwelle zum Kollabieren bringe. In der Quantenwelt habe man es mit Wahrscheinlichkeiten, Unbestimmtheiten und der Vermischung von Subjekt und Objekt zu tun. Die Zufälligkeiten atomarer Ereignisse besäßen aus unserer Sicht einen schicksalhaften Glücksspielcharakter. Nichts sei determiniert oder vorhersagbar.

 

In der Formung der manifesten Realität spiele die bewusste Entscheidung eine wichtige Rolle. Das Experiment der "verzögerten Entscheidung" habe gezeigt, dass wir unseren Willen dabei nicht ausklammern können. Ein Photon werde erst dann manifest, wenn wir es sähen, und seine Eigenschaften würden dadurch bestimmt, wie wir es sähen. Betrachteten wir es als Teilchen, scheine es rückwirkend zu reagieren, und die Wirkung scheine ihrer Ursache vorauszugehen. Es scheine schon angekommen zu sein, bevor es den Spalt durchquert habe.

 

Doch habe es sich schon in zwei Wellenpakete aufgespalten, bevor wir es beobachteten. Diese Aufspaltung sei allerdings nur im transzendenten Bereich der Möglichkeit geschehen. Erst nach unserer entscheidenden Beobachtung habe sein Zustand eine Aktualität erlangt. Diese habe sich mit Überlichtgeschwindigkeit ausgebreitet und das Komplementärteilchen beeinflusst, so dass die Wirkung schon vorhanden schien, als die Ursache (Beobachtung) erfolgte.

 

Nichtlokalität funktioniere ohne sich durch den Raum bewegende Signale. Die Fernwirkung spiele beim Zusammenbruch des Wellenpakets eine wichtige Rolle. Durch unsere Beobachtung entschieden wir, welches Ergebnis zustande komme. Dabei sei der Zeitpunkt unserer Entscheidung unwichtig. Die Welle teile sich immer auf, wenn zwei Wege vorhanden seien, wenn auch nur in der Möglichkeit. Beobachteten wir die eine Welle, kollabiere mit ihr auch die andere Welle.

 

Das möge zwar wie eine Rückwirkung erscheinen, aber was wir da beeinflussten, seien lediglich Möglichkeiten, keine Manifestationen. Spuren, die das Elektron hinterlasse, seien lediglich Erweiterungen von uns selbst. Quantenmessungen seien Interventionen unseres Bewusstseins, ein Dazwischenfunken in den Entstehungsprozess. Goswami konstatiert, dass wir die Idee einer unabhängigen objektiven materiellen Welt aufgeben müssten, die auch dann existiere, wenn wir sie nicht beobachteten. Letztlich sähen wir nur das, was wir sehen wollten. Die bewusste Beobachtung beende alle Dichotomie und Dualität.

 

Das auslösende Bewusstsein müsse von außerhalb auf die materielle Welt einwirken, es müsse transzendent und nichtlokal sein. Trotzdem reiche es allein nicht aus, um die Wellenfunktion zum Kollabieren zu bringen. Eine Materialisation erfordere gleichzeitig den bewussten Akt des Sehens durch den immanenten Gehirn-Geist in der materiellen Welt. Dieses bewusste Hinschauen erfordere geistige Klarheit und könne nicht unbewusst oder mechanisch vollzogen werden. Materielle Objekte könnten niemals erfahren werden ohne ein sie begleitendes geistiges Subjekt, wie etwa der Gedanke, dass ich dieses Objekt jetzt sehe.

 

Ein weiteres Paradoxon finde seine Auflösung in der idealistischen Erklärung der Quantenmechanik: die Frage, wo das Subjekt und wo das Objekt angesiedelt sei, wenn man sich selbst am Gehirn operiere. Sei das Gehirn in diesem Fall das Objekt oder das entscheidende Subjekt? Die Antwort laute: Subjekt könne nur das transzendente Bewusstsein sein. Es gebe einen Unterschied zwischen dem Gehirn als Beobachter und dem Gehirn, das man im Spiegel sehen könne: den Geist. Dieser sei jedoch in der materiellen Auffassung des Gehirns nicht enthalten.

 

Makroskopische Objekte seien irreversibel (nicht rückgängig zu machen). Ein Quantenobjekt dagegen sei regenerativ, es entstehe ständig neu und habe keine Geschichte. Im transzendenten Bereich sei die Zeit zweispurig und könne auch rückläufig sein. Mit dem Zusammenbruch der Wellenfunktion durch das transzendente Bewusstsein im Akt des bewussten Sehens mit Hilfe des immanenten Gehirn-Geistes werde die Zeit in unserem Raum-Zeit-Kontinuum subjektiv eingleisig. Die bewusste Messung lasse also Irreversibilität und Zeitpfeil in die Natur eindringen.

 

Die idealistische Auflösung des berühmten Paradoxons Schrödingers Katze verlange, dass das Bewusstsein des beobachtenden Subjekts aus der transzendenten Supersposition der Katze einen Zustand auswählt und somit ihr Schicksal besiegelt. Sie sei dann in unserer manifesten Raum-Zeit entweder tot oder lebendig, und nicht mehr beides zugleich. Wer wähle und sich entscheide, sei immer das Subjekt. Aus Descartes' "Ich denke also bin ich" werde "Ich entscheide, also bin ich".

 

Unsere Wahl- und Entscheidungsfähigkeit sei ein höherer logischer Typus als Gedanken und Gefühle. Sie sei die kennzeichnende Begleiterscheinung des Selbstbewusstseins. In jedem Augenblick seien wir mit unzähligen alternativen Möglichkeiten konfrontiert. Indem wir uns für eine entschieden, beeinflussten wir das Werden, und durch die Bewusstheit dieses Prozesses erführen wir unser Selbst. Als Reaktion auf eine unbewusste Reizwahrnehmung würden sich zwar Gedanken und Gefühle einstellen, aber unser Ich-Bewusstsein trete nur dann hervor, wenn wir eine Entscheidung träfen. Vor der Entscheidung befände sich unser Gehirn in einem mehrdeutigen Zustand - wie Schrödingers Katze.

 

Der Kollaps komme mit der Wahl. Doch sei das entscheidende Subjekt in der Quantentheorie ein universales Subjekt, nicht unser persönliches Ego. Denn ein Bewusstsein, das den nichtlokalen Kollaps einer Wellenfunktion ohne dazwischen liegende Zeit herbei führen könne, müsse selbst nichtlokal oder transzendent sein. Statt diese Fernwirkung auf überlichtschnelle Signale zurückzuführen, gehe der Idealismus davon aus, dass es sich dabei um eine Eigentümlichkeit des Bewusstseins handele.

 

David Bohm habe gesagt, was in der Raum-Zeit passiere, werde vom Geschehen in einer jenseits liegenden, nichtlokalen Realität bestimmt, als einer verborgenen und gleichgültigen Variablen. Danach wäre unsere Kreativität sinnlos und der freie Wille eine Illusion. Der idealistischen Deutung zufolge sei es jedoch das nichtlokale Bewusstsein, das die Wellenfunktion zum Zusammenbruch bringe, und das Leben sei erfüllt von Sinn. Alle transzendenten Möglichkeiten seien im Bewusstsein bereits vorhanden. Mit dem Akt des Beobachtens tauche ein Objekt simultan in der Welt der Manifestation auf, und zwar als subjektive Erfahrung.

 

Bei der Fernwirkung handele es sich nicht um eine Übertragung von Nachrichten, sondern um eine Kommunikation im Bewusstsein. Damit fänden die von C.G. Jung beschriebenen Koinzidenzen (Gleichzeitigkeiten im Denken und in der Außenwelt) eine Erklärung, die auf eine gemeinsame Ursache im transzendenten Bereich zurückzuführen wäre. Jung habe entdeckt, dass ein Gedanke oft gleichzeitig ohne kausale Verbindung durch ein äußeres Ereignis dargestellt werde. Solche Synchronizitäten belegten das simultane Vorhandensein von sinngemäßer Gleichartigkeit in heterogenen, kausal nicht verbundenen Vorgängen.

 

Daraus habe Jung den Schluss gezogen, dass entweder die Psyche räumlich nicht lokalisiert, oder der Raum psychisch relativ sein müsse. Psyche und Materie seien demnach zwei Aspekte der selben Sache. Sie beruhten auf unanschaulichen transzendenten Faktoren, seien aber in der gleichen Welt enthalten und stünden miteinander in ständiger Berührung. Ebenso sei es mit zwei korrelierten Elektronen. Beobachte man eines, sei das andere mit betroffen, denn das nicht lokale Bewusstsein lasse beide synchron zusammenbrechen. Jung habe empirisch entdeckt, dass es einen transzendenten Bereich des Bewusstseins außerhalb von Raum und Zeit gebe, und ihn das kollektive Unbewusste genannt.

 

Dieses nichtlokale Bewusstsein konstituiere keine kausalen Parameter (Naturgesetze), wie Bohm geglaubt habe, sondern wirke durch uns. Wir selbst seien dieses Bewusstsein, es bliebe uns nur verschleiert (den Schleier könne man aber durchdringen, wie Mystiker bezeugten). Das transzendente Bewusstsein wirke nicht kontinuierlich, sondern kreativ-diskontinuierlich in Quantensprüngen: Der Sprung aus dem System bewirke die Reflexionsschleife, in der das Bewusstsein sich seiner selbst bewusst werde. Diskontinuität und Offenheit für alles Neue seien die Voraussetzungen für Kreativität und Freiheit.

 

Mit dem idealistischen Monismus könnten auch Phänomene wie Telepathie oder Hellsehen erklärt werden. Goswami weist auf die zahlreichen Experimente hin, die in verschiedenen Labors weltweit durchgeführt worden seien (siehe "Parapsychologie beim CIA") und positive Ergebnisse erzielt hätten. Außersinnliche Wahrnehmung (ASW) werde jedoch nicht wissenschaftlich anerkannt, weil die Daten nicht reproduzierbar seien und nur eine statistische Signifikanz hätten. ASW hätte zudem verheerende Auswirkungen für die materialistische Welt der Kausalität, da keine lokalen Signale an die Sinnesorgane beteiligt schienen.

 

In der idealistischen Erklärung teilten sich zwei korrelierte (miteinander in Verbindung stehende) Personen die nichtlokale Information im transzendenten Bereich. Doch kämen Synchronizitäten und akausale Phänomene nicht willentlich zustande, sondern seien eine Frage der subjektiven Bedeutung und Selektion. Das gleiche gelte für außerkörperliche Erfahrungen (AKE), die häufig in Nahtodsituationen aufträten. Goswami hält sie für eine Art Telepathie, wobei eine Situation "durch die Augen eines anderen" gesehen würde. Bei allen nichtlokalen Kommunikationen trete das Signal zeitgleich mit dem Ereignis und ohne Abschwächung auf.

 

Der idealistischen Erklärung zufolge existierten kohärente Superpositionen (Möglichkeiten) als formlose Archetypen der Materie in einem transzendenten Bereich, und zwar zusätzlich zur materiellen Realität. Jede Beobachtung bringe eine Verzweigung des materiellen Universums mit sich und lege gleichzeitig einen kausalen Pfad im Gewebe der transzendenten Möglichkeiten an. Infolge unserer Wahl würden sämtliche Pfade bis auf den einen von der Welt der Manifestation abgeschnitten. Damit finde sogar die Vielwelten-Theorie eine Erklärung, ohne auf die aufwändige Vermehrung von materiellen Universen angewiesen zu sein.

 

Steven Hawking habe ebenfalls eine einheitliche Wellenfunktion für das gesamte Universum angenommen. Danach könne der Kosmos in den vergangenen 15 Milliarden Jahren auch ohne bewusste Beobachtung und Wellenkollaps existiert haben, indem er in der Möglichkeitsform verharrte. Das Universum habe als formlose "Potentia" in unzähligen möglichen Verzweigungen im transzendenten Bereich existiert und sei erst dann manifest geworden, als es bewusst betrachtet wurde. Die selbstbezügliche Beobachtung habe die kausal ablaufende Geschichte bewirkt und eine materielle Realisierung aller alternativen Parallelen verhindert.

 

Biologische Mutationen beruhten ebenfalls auf Quantenereignissen. Das Universum verzweige sich im transzendenten Bereich so lange, bis eine dieser Verzweigungen von einem bewussten Wesen wahrgenommen werde. An diesem Punkt erfolge der Kollaps des kausalen Pfades in die Raumzeit-Realität. Sinn und Bedeutung entstünden dann, wenn wahrnehmungsfähige Wesen die Welt beobachteten und aus den unzähligen transzendenten Möglichkeiten einen kausale Pfad auswählten. Schon Einstein (und vor ihm Kant) hätte gesagt: Was wir sehen, hängt von den Theorien ab, die wir zur Deutung heranziehen.

 

Anmerkung: Kant hat gesagt, in der Erkenntnis schreiben wir der Welt ihre Regeln vor. Damit wollte er auf die Eingeschränktheit menschlicher Wahrnehmung hinweisen und zeigen, dass wir letztlich nur unsere eigenen Strukturen betrachten, während uns das "Ding an sich" nicht zugänglich ist. Unsere Erkenntnis wird durch Sinnesorgane vermittelt und basiert auf Projektionen im Gehirn. Dennoch existieren die Dinge unabhängig von unserer Erkenntnis. Sie "affizieren unsere Sinne" und bewirken Vorstellungen und Erkenntnisse. Goswamis Standpunkt ist insofern weit idealistischer als Kants Transzendentalphilosophie. Es war Hegel, der annahm, dass wir durch Beobachtung Gegenstände konstituieren.

 

Aus dualistischer Sicht könnte man Goswami eine Verwechslung von "Existenz" und "Essenz" vorwerfen und einwenden: Mit unserer bewussten Beobachtung konstituieren wir zwar Sinn und subjektive Bedeutung, aber keine materielle Existenz. Wir bringen die Welle doch nur dann zum Kollaps, wenn wir sie im Quantenbereich beobachten, wo die Beobachtung einen Eingriff in die subatomare Energiesituation darstellt. Das ist aber bisher nur selten geschehen. Die übrigen Mutationen müssen sich unabhängig von unserer Beobachtung ereignet haben. - Doch im ideellen Monismus existieren die Dinge nur im Geist; alles ist eines.

 

"Wir sind der Mittelpunkt des Universums, weil in uns sein Sinn besteht", sagt Goswami. - Aus materieller Sicht stellt sich das jedoch ganz anders dar. Die Frage ist: Existiert Materie nur in unserem Bewusstsein, oder auch unabhängig von uns? Goswami antwortet mit einem "Sowohl als auch": Es gebe sowohl eine lokale Informationsaufnahme (Wahrnehmung) als auch ein transzendentes Bewusstsein. Die gesamte empirische Realität existiere jedoch nur als Objekt in diesem nichtlokalen Bewusstsein, auch der individuelle Gehirn-Geist. Wenn der Gehirn-Geist ein Objekt anschaue, werde das nichtlokale Bewusstsein als subjektive Erfahrung in diesem Teil seiner Schöpfung immanent. - Damit hätten monistischer Idealismus und Quantenphysik das philosophische Leib-Seele-Problem und alle damit verbundenen Paradoxien gelöst.

 

Ich-Identität und transzendentales Bewusstsein

 

Im Idealismus sei Bewusstsein transzendent und umfassend. Wie kommt es dann zu dem Gefühl des Getrenntseins, und was ist persönliche Individualität? fragt Goswami. Das bewusste Ich sei im Sanskrit als Illusion (Maya-Schleier) und im materialistischen Realismus als Epiphänomen (zufällige Begleiterscheinung der Materie) bezeichnet worden, obwohl es sich dabei um die nachhaltigste Erfahrung in unserem Leben handele.

 

Nach Auffassung des idealistischen Monismus müsse der Gehirn-Geist als ein interaktives System verstanden werden, das sich aus einem klassischen und aus einem Quanten-Teilsystem zusammensetzt, die miteinander in Wechselwirkung stehen. Der klassische Teil habe eine lange Regenerationszeit und könne deshalb ein Gedächtnis entwickeln, das als Bezugspunkt für Erfahrungen diene. Der Quantenteil sei regenerativ, könne die facettenreichsten Zustände einnehmen und sich im Nu erneuern. Er sei das Medium für bewusste Entscheidungen und Kreativität.

 

Tony Marcel habe als erster auf den Quantenaspekt des Gehirn-Geistes hingewiesen: Die Eigenschaften der Quantentheorie könnten auch auf geistige Phänomene angewandt werden. David Bohm habe Gedanken mit der Unschärferelation verglichen: Wir könnten uns entweder auf den Inhalt eines Gedankens konzentrieren, oder auf die Richtung, in die er ziele, aber nicht auf beides zugleich. Das Gedankenbild entspreche dem Ort, und die freie Assoziation dem Impuls physikalischer Objekte. Das Bewusstsein sei analog dem Raum, in dem die Objekte erschienen.

 

Auch Komplementarität könne den Gedanken zugeschrieben werden, die zwischen ihren Manifestationen als transzendente Archetypen zu existieren schienen, ähnlich wie Quantenobjekte als Teilchen oder Welle aufträten. Diskontinuität (Quantensprünge) sei die Voraussetzung für Kreativität. Viele große Wissenschaftler und Künstler hätten ihre kreativen Einfälle als plötzlich aus dem Nichts auftauchende Aha-Erlebnisse beschrieben. Auch Nichtlokalität sei mit der Tätigkeit des Geistes verbunden, wie die Ergebnisse der ASW belegten und aus jüngsten Experimenten zur Erforschung von Gehirnwellen-Kohärenzen hervorgehe.

 

Unsere Selbstbezüglichkeit, die Fähigkeit, uns auf unser Ich als Subjekt unserer Erfahrungen zu beziehen, sei mit materialistischen Gehirnmodellen nicht zu erklären. Experimente hätten gezeigt, dass sich bewusste und unbewusste Wahrnehmungen qualitativ unterschieden. Nur die bewusste Aufmerksamkeit ermögliche eine Wahl bzw. Selektion, wie z.B. die Interpretation des doppeldeutigen Wortes "Mutter" (als Erzeugerin oder Metallgewinde). Die unbewusste Wahrnehmung dagegen umfasse immer beide Wortbedeutungen.

 

Im Lichte der Quantentheorie stelle sich das Problem so dar: Auf Quantenebene existiere eine kohärente Überlagerung von Zuständen (beide Bedeutungen als Möglichkeit). Wenn der Gehirn-Geist als Ausdruck des transzendentalen Bewusstseins eine Bedeutung auswähle, breche die Wellenfunktion der Superposition zusammen und Sinn entstehe. Bei unbewusster Wahrnehmung breche die Überlagerung nicht zusammen und mehrere Deutungen blieben möglich. Das bewusste Ich denke also linear (entweder-oder) und der Quantengeist ganzheitlich (sowohl-als-auch).

 

Daraus leitet Goswami die "revolutionäre Idee" ab, dass ebenso wie Materie aus Quantenobjekten, den "Archetypen der Materie" bestehe, auch der Geist aus Ideen, den "Archetypen mentaler Objekte", bestehe. Beide setzten sich aus derselben Ursubstanz zusammen und gehorchten den Regeln der Quantenmechanik. - Anmerkung: So neu ist die Idee aber nicht, schon Leibniz sprach von "Monaden" als mentalen Einheiten. - Auch C.G. Jung habe geahnt, dass Psyche und Materie aus dem selben Stoff sein müssten, sagt Goswami, und John Eccles habe angenommen, dass zur Übertragung von Nervensignalen im Gehirn Quanteneffekte (Wellennatur) erforderlich seien.

 

Tatsächlich sei das Gehirn einerseits als Quantensystem und andererseits als physikalischer Messapparat zur Vergrößerung miskroskopischer Objekte aufzufassen. Bei einer Messung (Erkenntnis) würden die mentalen Quantenzustände mit den Zuständen des Messapparats (Gehirn) korreliert (in Übereinstimmung gebracht). Der mentale Zustand des Gehirn-Geistes werde zum Zusammenbruch gebracht und als Erfahrung vom klassischen Gehirn gemessen, vergrößert und in der Erinnerung abgespeichert. Damit sei persönliche Identität gewährleistet.

 

In seiner Doppelfunktion als Quantensystem und klassischer Messapparat ermögliche das Gehirn neben der Ich-Identität auch Kreativität, da jeder Kollaps einen Neubeginn bedeute. Die Zustände des Gehirn-Geistes seien Quantenzustände und damit Möglichkeitsstrukturen. Aus diesem transzendenten Bereich erschienen Objekte in der Welt der Manifestation, wenn das nichtlokale Bewusstsein ihre Wellenfunktion zusammenbrechen lasse. Dabei müsse aber die Bewusstheit eines wachen Verstandes anwesend sein, damit die Messung (Erkenntnis) zu Ende geführt werden könne. Neuere Gehirnwellenmessungen hätten die Korrelation von Gehirn- und Quantengeist bestätigt. Im Idealismus habe jede Erfahrung nur ein Subjekt, und das sei nichtlokal und umfassend.

 

Vor der Einschaltung des Bewusstseins existiere der Gehirn-Geist als formlose Potentia im transzendenten Bereich. Der Kollaps seiner Wahrscheinlichkeitswolke werde nicht zufällig durch Naturgesetze herbeigeführt, sondern sei eine bewusste Entscheidung des transzendenten Geistes, eine absichtliche Wahl (Selektion). Unser Bewusstsein wähle aus, mit welchem Ergebnis der Kollaps unseres Gehirn-Geistes ende. Wir suchten uns unsere Erfahrungen aus - aber ohne uns der zugrunde liegenden Prozesse bewusst zu sein. Diese Unbewusstheit führe zu der Überzeugung, von allem getrennt zu sein. Wir identifizierten uns mit dem getrennten Ich statt dem Wir des allumfassenden Bewusstseins.

 

Was kommt zuerst, fragt Goswami, die Bewusstheit des wachen Verstandes oder die absichtliche Wahl? Die Henne oder das Ei? Die Antwort laute: Sowohl als auch. Man habe es hier mit einer "verwickelten Hierarchie" zu tun, die sich jeder linearen Ursache-Wirkungs-Beschreibung in der Raumzeit entzieht. Diese Situation rufe die Selbstbezüglichkeit, die Spaltung der Welt in Subjekt und Objekt hervor. Wählen sei ein diskontinuierlicher Akt des nichtlokalen Bewusstseins im transzendenten Bereich, jenseits der Spaltung von Subjekt und Objekt. Nach dem Kollaps identifiziere es sich jedoch mit dem Ich der Selbstbezüglichkeit und mache die unmittelbare Erfahrung des "Ich bin".

 

Das Wissen, dass unser Selbst einer verwickelten Hierarchie entstamme und das Bewusstsein jenseits der Spaltung von Subjekt und Objekt angesiedelt ist, sei in vielen Kulturen vorzufinden. In der Welt der Manifestation erführen wir das Selbst bzw. Subjekt als von den Objekten der Erscheinung getrennt. Am Anfang des Kollapses manifestierten sich jedoch Subjekt und Objekt gleichzeitig. Im Gehirn-Geist finde neben individueller auch universelle Selbstbezüglichkeit statt. Durch uns sei sich das Universum seiner selbst bewusst und teile sich in Subjekt und Objekt.

 

Die Identifizierung des Selbst mit den Vergangenheiterfahrungen bezeichnet Goswami als Ego-Identität. Der Messapparat des Gehirns verzeichne jeden Kollaps - er merke sich jede Erfahrung. Komme ein ähnlicher Reiz vor, vergleiche das Gedächtnis ihn mit vergangenen Reizen. Das Quantensystem reagiere auf die Wiederholung und kollabiere, das klassische System messe die neue Reaktion, modifiziere die Erinnerung und so weiter. Diese wiederholte Wechselwirkung führe zu einer Programmierung des Gehirn-Geistes, wobei er seine unmittelbare Regenerationsfähigkeit einbüße. Jede erlernte Reaktion verstärke die Wahrscheinlichkeit, dass die gleiche Reaktion wieder eintreten werde.

 

Lernen beeinflusse den Gehirn-Geist einseitig, indem sich das konditionierte Verhalten des individuellen Geistes verfestige. Aus der verwickelten Hierarchie werde eine einfache Hierarchie erlernter Programme. Auf dieser Stufe sei die kreative Unschärfe, wer die Erfahrung auswähle, verschleiert und werde als Akt des freien Willens eines individuellen (Pseudo-) Selbst ausgelegt. Darauf folge die (irrtümliche) Identifikation des nichtlokalen Subjekts mit dem sogenannten Ego, dem begrenzten individuellen Selbst, das mit den erlernten Programmen verknüpft sei.

 

In der physikalischen Raumzeit würden wir von diesem individuellen Ego bestimmt. Aus dem Innern heraus reklamierten wir einen freien Willen, um dahinter unsere vermeintliche Begrenztheit zu verstecken. Die Begrenztheit resultiere jedoch nur aus den erlernten Programmen, die kausal (nicht verwickelt) aufeinander einwirkten. Unwissend, wie wir seien, identifizierten wir uns mit einer eingeschränkten Version des kosmischen Subjekts und glaubten: Ich bin dieser Körper-Geist.

 

Der wirklich Erfahrende (das nichtlokale Bewusstsein) sei jedoch außerhalb des Systems angesiedelt, den raumzeitlichen Gehirn-Geist transzendierend. Er wirke aus dem Hintergrund des Schleiers hervor, den die verwickelte Hierarchie dem Ego vorhalte. Das in Erscheinung tretende getrennte Individuum sei nur ein scheinbares Subjekt des freien Willens, es verschleiere die Diskontinuität in der Raumzeit. Kreativ sei der Gehirn-Geist nur unter dem Einfluss seines Quanten-Teilsystems, im Rahmen einer neuen Erfahrung. Die Vielseitigkeit des Quantengeistes sei in der primären Quantenmodalität immer vorhanden.

 

Wegen unserer vorwiegenden Beschäftigung mit sekundären Prozessen falle es uns schwer, uns unseres Quanten-Selbstes bewusst zu sein und die reinen Zustände des Geistes zu erfahren. Viele Meditationstechniken dienten der direkten Verbindung zu diesen geistigen Zuständen. Offenbar verringere Meditation die Verzugszeit zwischen primären und sekundären Prozessen. Experimente hätten belegt, dass es zu gesteigerten, hochgefühlsartigen Erfahrungen komme, wenn die Verzugszeit kleiner werde. Ähnlich sei es bei sogenannten Spitzenerfahrungen wie kreativen Aha-Erlebnissen. Das seien direkte transzendentale Erfahrungen des in der Einheit eines kosmischen Seins verwurzelten Selbst.

 

Die Zeitverzögerung lasse unsere Ego-Erfahrung von Bewusstsein kontinuierlich erscheinen. Der Kollaps sei das Ereignis von Diskontinuität in Raum und Zeit, aber wir erführen diese Teilung nur einseitig. Der wirkliche Schleier, die Maya, sei die Getrenntheit. Zu denken, dass wir wirklich von dem Ganzen getrennt sind, das sei die Illusion. Das Ego mit seinen klassischen, Scheinhierarchien bildenden Programmen identifiziere sich mit den erlernten Inhalten (ich bin dies oder jenes). Dieses getrennte Selbst habe keinen freien Willen. Das Wirken des Gehirn-Geistes sei begrenzt, sein freier Wille eine Täuschung.

 

Das Ich-Selbst sei eine Beziehung zwischen bewusster Erfahrung und physikalischer Umgebung, die Welt erscheine in Subjekt und Objekt geteilt. Im Spiegel des Gedächtnisses reflektiert, bringe diese Teilung das Ego mit seiner kontinuierlichen Lebensgeschichte hervor. Seine Erfahrungen und Wünsche bezögen sich auf Objekte (Intentionalität), auf sich selbst (Selbst-Bewusstheit), auf die komplexe Situation in Vergangenheit und Zukunft (Reflexionsvermögen), auf das Unbewusste und das transpersonale Selbst (Aha-Erlebnisse, Offenbarungen). Insofern besitze es Willensfreiheit und die Fähigkeit der Aufmerksamkeit (Konzentration).

 

Das Ego sei das Bild, das wir uns von dem Teil machten, der unsere täglichen Handlungen, Gedanken und Gefühle erfahre. Das Bewusstsein identifiziere sich mit den erlernten Reaktionen, aber es komme nie zu einer vollständigen Identität. Es bliebe immer etwas Platz für das Nicht-Konditionierte, Neue, und das ermögliche unseren "freien Willen". So würden Spitzenerfahrungen fast nur außerhalb der Ich-Identität gemacht, der schöpferische Akt werde oft als "von Gott kommend" beschrieben und deute damit auf ein transpersonales Selbst hin.

 

Wenn wir uns auf eine Aufgabe konzentrierten, seien wir uns unserer selbst nicht bewusst, weil sich unser Ego in das Objekt absorbiere. Auch Telepathie erfordere die Loslösung vom bewussten Ego. Die Identität des Objekts mit dem kosmischen Bewusstsein könne in einem "höheren" Bewusstseinszustand erkannt werden. Doch reine Bewusstheit könne nur das nicht-konditionierte universale Quanten-Selbst erfahren. Auf der sekundären Ebene gebe es konditionierte Reaktionen als Gedanken und Gefühle; im Bereich der Primärprozesse uneingeschränkte Wahlfreiheit. Damit sei nicht die Wahl zwischen zwei Alternativen gemeint, sondern Willensfreiheit als geistige Haltung, die in Aktionen umgesetzt werde.

 

Wir hätten immer die Wahl, zu den erlernten Reaktionen nein zu sagen. Benjamin Libet habe angeblich die Behauptung der Gehirnforscher, wir seien durch unser Gehirn determiniert, experimentell bestätigt. Er habe nachgewiesen, dass unser Gehirn Aktionen auslöse, bevor diese in unser Bewusstsein gelangten. Danach wäre der freie Wille eine Illusion. Goswami weist aber darauf hin, dass in den gleichen Experimenten im Anschluss an die bewusste Erfahrung die Aktion verhindert oder zurückgenommen werden konnte. Wir hätten also stets die Möglichkeit, zu der Konditionierung nein zu sagen. Der freie Wille wirke ganzheitlich (als moralische Haltung), während Einzelaktionen determiniert sein könnten.

 

Bei unbewussten Erfahrungen breche der Quanten-Zustand nicht zusammen, sie entwickelten sich im Möglichkeitsbereich weiter. Viele unserer transpersonalen Erfahrungen würden von archetypischen Inhalten des kollektiven Unbewussten beeinflusst, die wir nicht wahrnähmen. Auch die persönliche Konditionierung (Persona) scheine bestimmte geistige Zustände zu unterdrücken, bevor sie sich in der Welt manifestierten. Erst bei Nahtod-Erfahrungen werde die unbewusste Konditionierung, kollektiv wie persönlich, aufgehoben und vieles werde sichtbar. Wir sollten uns aber weder von unserer angenommenen Persönlichkeit noch von unbewussten Superpositionen unterdrücken lassen.

 

Die Bandbreite der Bewusstseinsformen reiche vom persönlichen Bewusstsein bis zum kollektiven Unbewussten. Je höher wir uns entwickelten, desto egoloser würden wir, bis es auf dem höchsten Niveau überhaupt keine Identität mehr mit dem Ego gebe. Hier könnten wir zu einer konditionierten, gewohnten Reaktion nein sagen, also unseren freien Willen ausüben. Das "Selbst" sei der Ausdruck für das gesamte Potenzial des Menschen, das zu Kreativität und Verwirklichung in der Lage sei.

 

Es gebe Zwischenebenen zwischen Ego und transzendentem Bewusstsein, z.B. die mystische Zwischenebene. Sie ermögliche nichtlokale mystische Erfahrungen, die tiefe Einblicke in die Welt und die eigene Rolle darin gewährten. Die Inhalte des kollektiven Unbewussten kämen in Träumen und Mythen an die Oberfläche. Doch viele Menschen ließen sich noch zu sehr von persönlichen Wünschen leiten, um zu einer wirklich fließenden Identität wechseln zu können.

 

Die transpersonale Zwischenebene enthalte die Fähigkeit, Zeuge innerer Prozesse zu werden. Hier erschienen die psychosozialen Lebenszusammenhänge nicht mehr festgefügt, sondern veränderlich. Daraus könnten neue Freuden resultieren, z.B. die Freude am aktiven Dienen, die noch stärker motivieren könne. Die spirituelle Zwischenebene sei nur wenigen Menschen vorbehalten, deshalb existiere auch nur wenig Datenmaterial darüber. In dieser Identität gestalte sich das Leben in müheloser Leichtigkeit. Das Selbst sei integriert, die Inhalte des kollektiven Unbewussten erforscht, das Handeln auf die Ereignisse abgestimmt. Die höchste Ebene sei die Ebene des Nicht-Selbst.

 

Die Wiederverzauberung

 

C.G. Jung habe spirituell geforscht, um den Schleier der Dualität zu durchdringen. Krishnamurti habe gepredigt, nur radikale Bewusstheit führe zu Transformation und radikaler Intelligenz. Bewusstsein sei kein Subjekt der Erfahrung, sondern ginge ihr voraus. Außer ihm gebe es nichts; alles sei Erscheinung im Bewusstsein. Wir brauchten eine Wissenschaft, die Bewusstheit als Primärerfahrung anerkenne. Die Welt logisch zu erfahren, habe seinen Preis: den Verlust von Verzauberung und Ganzheit. Um in der Erfahrungswelt zu leben und gleichzeitig in jenen verzauberten Zustand zurück zu gelangen, müssten wir in die Weiten unseres Inneren vorstoßen und unser Bewusstsein weiter entwickeln.

 

Statt dessen führten wir Kriege. Kriege seien so alt wie die menschliche Gesellschaft, und unsere Friedensvorstellung an materialistische und dualistische Weltanschauungen geknüpft. Unsere Konditionierung durch äußere Lebensbedingungen rufe von Natur aus Konflikte hervor. Die Sozio-Biologie sei ein zynisches Amalgam von Ideen aus der klassischen Physik, der Evolutionslehre, der Molekularbiologie und Verhaltenspsychologie. Dieses Menschenbild stehe im Widerspruch zum Weltfrieden. Doch seien wir die Welt. Nur durch die Entwicklung unseres Bewusstseins könne die Entwicklung zur Gewalt verhindert werden.

 

Unser Gefühl des Getrenntseins - das Egoismus und Gefühllosigkeit verursache und zur Gewalt führe - sei ein Trugbild. Der heutige Instrumentalismus resultiere daraus, dass sich Wissenschaft gar nicht mit der Wirklichkeit befasse, sondern nur ein Hilfsmittel der Technologie sei. Die Idee einer zugrundeliegenden Einheit sei jedoch nicht neu, sie bilde die Grundbotschaft der meisten Religionen. Diese verneinten allerdings die Welt, wenn sie persönliche Erlösungen verkündeten. Monistischer Idealismus und idealistische Wissenschaft bejahten jedoch die Welt.

 

Frei nach Hegel ("Die Welt ist die beste aller Möglichkeiten") stellten alle Erscheinungsformen zusammen nur eine der vielen Möglichkeiten der vereinenden Welle dar, die hinter der Vielfalt der Formen stehe. Dieser Gedanke impliziere, dass alle Variationen keinen absoluten, sondern nur relativen Wert besäßen. Auch nach buddhistischer Auffassung besitze nichts auf der Welt ein inhärentes Eigensein. Damit könne man die Verschiedenheit menschlicher Ausdrucksform achten und jede Kultur als ein Spiegelbild des Einen betrachten. Die Verschiedenheit zeige die vielfältigen Dimensionen von Bewusstsein auf. Auch sei die Abkehr von linearen Hierarchien wichtig für die Entwicklung eines effektiven Friedensparadigmas. Das hierarchische Denken treibe uns dazu, Kriege zu führen, ob im Namen von Monarchien, religiösen Hierarchien oder Einparteien-Diktaturen. Im pluralistischen Denken sieht Goswami dagegen eine Revolte der modernen Wissenschaften gegen materialistische Ideologien.

 

Das neue Modell des Selbst habe gezeigt, dass die Trennung der Wirklichkeit in Subjekt und Objekt auf der verwickelten Hierarchie unserer Selbstbezüglichkeit basiere. Diese Aufspaltung erkläre unser Gefühl des Getrenntseins, das die Einheit verschleiere, seinerseits aber einer einfachen Hierarchie folge. Die Entwicklung des gesellschaftlichen Bewusstseins unterliege einem ständigen Auf und Ab: Auf die Emanzipation der Frau oder die Rassengleichheit folge wieder die von den Medien propagierte einfache Hierarchie der Ich-Generation. Doch hielten die alten Paradigmen nicht mehr stand und müssten dem Neuen weichen.

 

Das widersprüchliche Wertesystem der Ego-Ebene verursache Konflikte. Diese seien jedoch eine Chance zur inneren Transformation und einem neuem Wertesystem. Kriege seien auch notwendige innere Kämpfe, die zur Besserung führten. Wir sollten lernen, ohne Konflikt zu kämpfen, und akzeptierten, dass es Kriege gebe und wir mittendrin stünden. Wir seien die Welt. Der Pazifismus habe keine Chance, wenn nicht die gesamte Bewusstseinsentwicklung auf Frieden ausgerichtet sei. Dazu müssten wir aber unsere Konditionierungen auf der Ego-Ebene anerkennen und akzeptieren, dass sie konfliktbehaftet seien.

 

Goswami unterscheidet drei menschliche Triebkräfte: Erziehung sei unbewusste Konditionierung durch die Umwelt, aus der nur träge Energie erwachse. Libido sei eine natürliche Antriebskraft mit hoher Energie. Kreativität (die Erschaffung von Neuem) stamme aus dem kollektiven Unbewussten und bewirke höchste Motivation. Wir Menschen seien in der Lage, aus dem System zu springen und neue Kontexte zu entdecken, weil wir ein nichtlokales Bewusstsein besäßen. Wir hätten einen Zugang zu den archetypischen Inhalten des Geistes sowie zu den rein geistigen Zuständen jenseits unserer lokalen Erfahrungen.

 

Kreativität als nichtlokaler Erkenntnismodus sei neben Wahrnehmung und Vorstellung die dritte Art des Wissens. Ihre Korrelate fänden sich in Wissenschaft und Kunst. Der kreative Prozess bestehe aus den Phasen Informationssammlung, Keimen der Idee und anschließender Manifestation. Der kreative Akt resultiere aus dem Zusammenspiel der klassischen und der Quanten-Modalität des Selbst. Da die Quanten-Modalität jedoch in unserem Vorbewusstsein bleibe, handele es sich um eine diskontinuierliche, verwickelte Hierarchie: Information und Kommunikation, bzw. Kenntnisspeicherung und Offenheit seien ineinander verwickelt.

 

Das Ego sei ebenfalls beteiligt. Es bedürfe eines starken Ego, um die Zerstörung des Alten und Einführung des Neuen zu verkraften. In der Phase des Keimens träfen klassische und Quantenmodalität zusammen: Nach harter Arbeit käme es zum Geistesblitz der Erleuchtung. Wenn der Quantenzustand des Gehirns eine Schwemme von Möglichkeiten entwickle, könnten auch völlig neue Varianten darunter sein. Die konditionierten Zustände aus unseren erlernten Erinnerungen hätten allerdings eine viel größere Manifestations-Wahrscheinlichkeit als bisher noch nicht da gewesene Zustände. Doch trotz der ungünstigen Chancenverteilung müssten die Altprogramme nicht über das Neue siegen.

 

Um die Entwicklung des Bewusstseins voranzutreiben, müssten wir die Begrenzungen des Geistes abbauen, indem wir bewusst unsere konditionierten Reaktionen verringerten. Mit Beharrlichkeit könnten wir immer wieder die gleichen Fragen stellen, damit sich durch gleiche Kollapse neue Lösungen manifestierten. Die Einführung neuer Komponenten steigere die Kreativität, weil der Reizkomplex größer werde. Von einer neuen Idee zu lesen, könne schon einen Wandel in der Geisteshaltung auslösen, Mehrdeutigkeiten öffneten den Geist. Bewusste Beobachtung beeinflusse die unbewusste Verarbeitung. Wir sollten oft mit anderen kommunizieren, da das Ganze immer größer als die Summe der Teile sei.

 

In der Phase der Manifestation befänden sich Idee und Form in einer Wechselbeziehung. Das endlose Drama zwischen Konstruktion und Destruktion sei ein interaktiver Prozess in einer verwickelten Hierarchie. Das Ego müsse agieren - aber unter Führung der Quanten-Modalität des Selbst, die es nicht kenne. Es dürfe den kreativen Prozess nicht auf die einfache Hierarchie erlernter Programme reduzieren, das bedeute eine Schwächung der eigenen Effizienz. Ein starkes Ego dagegen könne die Angst in Schach halten, die mit der Etablierung des Neuen einher gehe.

 

Wichtig sei auch die Verzugszeit zwischen primären und sekundären Erfahrungen. Unsere ständige Beschäftigung mit sekundären Prozessen verhindere, dass wir die Quanten-Ebene unseres Wirkens direkt erlebten. Das Ego nehme eine nachträgliche Vordatierung des Ereignisses vor, um sich vorzugaukeln, die Entscheidung aktiv herbeigeführt zu haben. Die Spitzenerfahrung jedoch, das kreative Aha-Erlebnis, geschehe dann, wenn wir die Quanten-Modalität ohne Verzug erlebten. In der Zeitspanne vom Ereignis bis zu seiner Vordatierung rage die Superposition in unser dreidimensionales Kontinuum hinein. Während unserer Identität mit dem reinen Bewusstsein gelte die Möglichkeitsform des Sowohl-als-auch statt Entweder-oder. Nach der Manifestierung durch den Messakt des Erkennens falle das Ego wieder in die duale Objektivität zurück.

 

Äußere Kreativität beziehe sich auf Entdeckungen für die Gesellschaft und befinde sich in ständiger Konkurrenz mit den existierenden Gesellschaftsstrukturen. Sie erfordere Begabung, Wissen und Konditionierungen. Innere Kreativität dagegen erzeuge persönliche Transformationen. Sie benötige weder Talent noch Kenntnisse, sondern nur tiefe Neugier und persönlichen Wissensdurst. Das Leben auf der Ego-Ebene, wie erfolggekrönt es auch sein möge, sei immer unbefriedigend und unbehaglich, es mangele an Freude, Glück und Heiterkeit.

 

Das Universum sei lebendig und kreativ. In unserem Wunsch nach Kontrollmöglichkeiten hätten wir jedoch ein deterministisches Bild auf die Welt projiziert. Als statisch gesetzmäßiges Universum erscheine es uns jetzt tot. Der Grund dafür sei nur unsere eigene Tendenz zu tödlichen inneren Blockierungen, verursacht durch das Ego. Langeweile, Zweifel und Schmerz seien tödlich für die Kreativität. Die Probleme innerer Leere mit äußeren Reichtum lösen zu wollen, sei eine destruktive materialistische Denkweise, die die Entwicklung des Bewusstseins bedrohe.

 

Statt dessen könnten wir Kreativität nutzen, um Weisheit zu erlangen. Nachdem wir eine Weile in der Ego-Welt mit ihren bitter-süßen Früchten gelebt hätten, könnten wir nach innen schauen und "erwachen". Wir könnten aus festgefahrenen Verhaltensmustern ausbrechen, indem wir uns unsere Konditionierung bewusst klarmachten und sie veränderten. Der weitere Prozess der Transformation erfordere die Aufgabe unseres Getrenntseins und Hingabe an das kollektive Selbst durch praktizierte Liebe und Hilfsbereitschaft. So könnten wir alle Dualitäten überwinden und zur Quantenebene des kreativen Bewusstseins gelangen.

 

Ähnliches finde man auch in uralter Mystik: Der Buddhismus kenne drei Wege zur inneren Befreiung: Handeln, Liebe und Weisheit. In der spirituellen Selbstentwicklung wechselten sie sich ständig ab, sie überschnitten sich, verstärkten sich gegenseitig und bildeten eine Spirale. Je uneigennütziger wir handelten, umso stärker könnten wir lieben. Je mehr wir liebten, desto größer werde unsere Weisheit. Je weiser wir seien, desto natürlicher werde es für uns, uneigennützig zu handeln. Man solle erwartungslos handeln, ohne Gewinne zu erhoffen. Handeln aus Liebe sei noch besser. Auf der Stufe der Weisheit handele man nur noch als vermittelnde Kraft, nicht als Subjekt, das auf ein Objekt einwirke. Das sei die Stufe der Befreiung. Sie hänge jedoch vom Grad der Bewusstheit ab.

 

Analog dazu gebe es drei Yoga-Wege zur Erleuchtung: Wissen (Intellekt), Handeln und Liebe. Intellekt sei ein "kunstvolles Zerrbild der Kreativität", weil er sie mit Konditionierung und Libido vermenge. Deshalb müsse man einen eingefahrenen Verstand durch Paradoxien aus dem Gleis bringen. Sie beseitigten den Schleier, den das Ego darstelle. Das Ego wolle lieber Antworten besitzen als Bedeutungen verstehen. Wir intellektualisierten lieber, als auf unsere Intuition zu hören. Die verstandesmäßige Erfassung verstärke aber nur die Trägheitswirkung des Ego. Der Intellekt habe seinen Platz, müsse aber im geeigneten Moment dem Unwissen nachgeben, damit neues Wissen Eingang finden könne.

 

Das Ego sei weder zur Lösung eines Paradoxons noch zur Liebe fähig, weil es immer nach vernünftigen Gründen frage. Es sei jedoch besser, nicht aus rationalen Überlegungen, Sicherheitsbedürfnissen oder einem Verlangen heraus zur Liebe zu streben, sondern bedingungslos und ohne vorgefasste Ideen. In dieser neutralen Leere bekomme die Wahrscheinlichkeitsschwemme von Auswahlmöglichkeiten eine Dimension mehr - die kreative. Die Quantenwelle unseres Geistes dehne sich aus, die erwartungslose Liebe besiege unsere Reaktivität.

 

Um zur Identität mit dem Selbst zu gelangen, müsse man intellektuelles Verstehen in wirkliches Erkennen verwandeln. Z.B. die Erkenntnis, wie aus dem Einen viele werden: nämlich durch Einbildung. Weder der Wissende (Subjekt der Erfahrung) noch das Wissensfeld (Bewusstheit) oder das Erkannte (Objekt der Erfahrung) hätten ein eigenständiges Sein. Die einzige Realität sei Bewusstsein, es sei Subjekt und Objekt zugleich. Um zu dieser wahren Realität zu erwachen, gebe es nur eine einzige Methode: die Meditation. Man müsse lernen, ein aufmerksamer, aber losgelöster Zeuge des inneren Melodramas von Gedanken zu sein.

 

Das ginge nicht ohne Übung, man müsse die Konzentration intensivieren und Gedanken loslassen können. Manche richteten ihre Aufmerksamkeit auf den Atem oder den Klang einer Silbe (Om), damit das Denken in den Hintergrund der Bewusstheit rücke. Andere nähmen das Denken selbst zum Objekt und versuchten, die Inhalte zu transzendieren. Analog zur Unschärferelation werde auch bei der Beobachtung des Denkens entweder der einzelne Gedanke (der Ort) oder der Gedankenfluss (der Impuls) ungenau. Mit fortschreitender Unschärfe eines einzelnen Gedankens würden wir zunehmend mit dem zentralen Hier und Jetzt verbunden. Der Inhalt des Gedankens weiche seiner neutralen Beobachtung.

 

Je höher die Konzentration, desto mehr verschwinde die Außenwelt, die in uns als innere Präsentation existiere. Primäre Prozesse gäben sich zu erkennen, Gedanken und Gefühle aus dem sekundären Ich-Bewusstsein verlören ihre Brisanz, bis sich die überraschende Erfahrung des primären Bewusstseins einstelle. Es handele sich um einen vierten Bewusstseinszustand neben Wachsein, Tiefschlaf und REM-Traumphase, der durch die Gehirnforschung nachgewiesen sei. Normalerweise dominierten Thetawellen bei Kindern, Alphawellen bei Heranwachsenden und Betawellen bei Erwachsenen. Thetawellen kennzeichneten aber auch die Quanten-Modalität im Gehirn-Geist.

 

Durch die Erfahrung der Wahlfreiheit in der Meditation lernten wir, gewohnte Reaktionen abzulegen (z.B. sich zu freuen statt zu ärgern, Verzicht zu leisten statt Kosten-Nutzen-Überlegungen anzustellen). Die zunächst inneren Alternativen wirkten sich auf das äußere Handeln aus und befreiten uns von unserer Konditionierung. Erlernte Glaubenssysteme solle man ablegen, weil sie den Geist lähmten. Wir könnten die konditionierte Tarnung erkennen, hinter der sich die hierarchisch verwickelten Mechanismen unseres Gehirn-Geistes verhüllten. Nur die Liebe könne die Ego-Begrenzungen durchbrechen und durch die Innigkeit einer Beziehung die Illusion der Abgetrenntheit beseitigen.

 

Das Geheimnis der Unsterblichkeit bestehe darin, im gegenwärtigen Moment zu leben, im Hier und Jetzt, das zeitlos sei. In der tiefen Meditation sei man vollständig in das Objekt versunken, das Subjekt trete zurück. Das Wesen des Objekts werde durchdrungen, es werde in seiner totalen Identität mit dem Bewusstsein gesehen. Das sei die Erfahrung des Nicht-Selbst, andere nennten es Gnosis oder Erleuchtung. Mit der Zeitlosigkeit einher gehe ein Gefühl intensiver Freude. Es sei die ursprüngliche Freude des Bewusstseins, Seligkeit in reiner Form.

 

Dinge manifestierten sich in der Raumzeit. Selbst-Bewusstsein benötige einen Gehirn-Geist, um sich zu manifestieren. Freude dagegen benötige die Erfahrung von etwas Größerem als das individuelle Selbst. Seligkeit resultiere daraus, einen kleinen Schimmer davon zu bekommen, wer wir wirklich sind. Solche "Erleuchtungs-Momente" bedeuteten allerdings noch keine totale Transzendenz, sondern die Ego-Ebene stelle sich anschließend immer wieder ein. Nach dem Erlebnis bedürfe es weiterhin der Disziplin, um das eigene Handeln in der Welt zu manifestieren, in der sich das primäre Bewusstsein durchsetzen soll.

 

Liebe entstehe durch Selbsthingabe, sie werde vergrößert durch ständiges Praktizieren. Ihre Intensität steige in der Reihenfolge: Eigenliebe, Fremdenliebe, Freundesliebe, Mutter-Kind-Liebe und erotische Liebe. Man könne die Personen ersetzen durch Hingabe an den Geist der jeweiligen Beziehung. Altruismus und Empathie seien Wege, der Eigenliebe zu entrinnen und das vergängliche Ego zu transzendieren. Die Sehnsucht des Ego nach Unsterblichkeit zeige sich Westen durch das Streben nach Ruhm und Macht. Im Osten habe es zur Idee der Wiedergeburt der individuellen Seele geführt. Über die Liebe zum inneren Quanten-Selbst jedoch eröffne sich die Möglichkeit wahrer Unsterblichkeit.

 

Mit der Maxime "Liebe deinen Nächsten wie dich selbst" könnten viele nichts anfangen, weil sie sich selbst nicht liebten und deshalb nicht wüssten, was Liebe sei. Liebe könne jedoch auch als Meditation praktiziert werden. Die Belohnung für moralisches Handeln sei tatsächlich der "Himmel", aber nicht im Leben danach, sondern im Hier und Jetzt, in der Nichtlokalität der Quantenwelt. Die "Hölle" bestehe in einem dem Ego verhafteten Leben. Es gebe nur eine Sünde: das eigene oder ein anderes Selbst in der klassischen Funktionsweise versteinern zu lassen und die Fähigkeit zu blockieren, in die Quanten-Modalität zu gelangen, um Freiheit und Kreativität zu manifestieren.

 

Wir dürften niemandem einen ethischen Kodex aufzwingen. Allein die Beurteilung anderer nach absoluten Normen schränke sie in ihrem Vermögen und ihrer Freiheit ein. Ideologien enthielten ein ungeheures Konfliktpotenzial, das mit Logik nicht zu lösen sei. Sie bringe nur ein paradoxes Hin und Her zwischen Optionen hervor. Eine kreative Lösung dagegen sei eine transformative Auseinandersetzung mit unserem Quanten-Selbst und vergleichbar mit der Botschaft von Jesus, auch die zweite Wange hinzuhalten. Unsere klassische Modalität könne damit nichts anfangen, doch wenn man danach handele, offenbare sich ihr Sinn.

 

Kreativität erfordere das Offenhalten weit reichender Möglichkeiten. Das nach Erfolg gierende Ego trübe uns die Sicht und verhindere ethisches Handeln. Doch wenn wir unsere Konditionierung durchschauten, seien wir in der Lage, uns für Moral zu entscheiden. Um die primäre Quantenebene zu erreichen, müssten wir uns auf eine radikale Transformation unserer Psyche einlassen und alle herkömmlichen Vorstellungen von Belohnung und Bestrafung vergessen. Wenn das Ziel erreicht sei, müsse es in die Außenwelt transportiert und anderen sichtbar gemacht werden. Dieses Stadium korrespondiere mit der Erkenntnis, dass wir im Grunde mit der ganzen Welt Eines seien - dem Aha-Erlebnis innerer Kreativität.

 

Im Stadium dienender Liebe entdeckten und akzeptierten wir das Anderssein als individuelle Manifestation und förderten damit die kreative Vielfalt. Im Stadium der Weisheit handelten wir im Einklang mit dem Willen des umfassenden Bewusstseins, im Sinne der Maxime "Dein Wille geschehe". Dann hätten wir das Wollen der Ego-Ebene aufgegeben zugunsten des spontanen Wählens der Quantenebene. Moral und Ethik seien hier überflüssig, weil es keine Konflikte mehr gebe. Sie hätten sich im Willen des allumfassenden Universums aufgelöst.

 

In der Tradition gebe es zwei Entwürfe für den spirituellen Lebensweg: der dominantere basiere auf der Verneinung der Welt. Die Welt der Phänomene bringe nur Leiden oder sei ein einziges Abbüßen der Erbsünde. Bestenfalls eine Illusion, die auf Erleuchtung und Erlösung ziele. Mit Wissenschaft könne man allerdings diese spirituelle Tradition überwinden. Daneben stehe die Bejahung der Welt, die auf der Fähigkeit zum Anteilnehmen basiere. Die indischen Upanishaden erklärten, man könne sich schon im Leben an der Unsterblichkeit erfreuen. Auch die chinesische Philosophie verkünde Lebensfreude und irdischen Frieden.

 

Die von Goswami angestrebte idealistische Wissenschaft sei in eine Philosophie der Glückseligkeit eingebettet und propagiere sowohl Freude als auch Leiden, sowohl Geistiges als auch Weltliches. Wir entschieden aus freiem Willen über den Trend. Viele Menschen hätten schon mystische Erfahrungen gemacht. Je mehr Individuen durch den Zustand der Quantenebene wieder verzaubert würden, desto größer werde die Wahrscheinlichkeit einer globalen Bewusstseinsentwicklung. Eine solche Renaissance könne durch die moderne Kommunikationstechnologie unterstützt werden.

 

Wir brauchten nicht einen Messias oder Welt-Lehrer, sondern so viele Entwürfe wie nie zuvor. Doch die Rückkehr der Helden sei schon in vollem Gange. Marilyn Ferguson habe den sich andeutenden Paradigmenwandel als "sanfte Verschwörung" bezeichnet. Wir dürften davon ausgehen, dass unsere subjektive Erlebniswelt und spirituelle Philosophie weiter reiche als die Wissenschaft. Teilhard de Chardin habe vorgeschlagen, uns nach den physikalischen Energien in Zukunft die Energie der Liebe nutzbar zu machen. Unser Leben werde dann zu einer Ausdrucksform, die das ewige Wunder des unendlichen Seins wiederspiegele.

 

 

Birgit Sonnek

 

September 2005

 

 

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